Vorteile - Auction Spotter bietet so viel!

Anmeldung




Neu bei auction spotter?
Stand 13.09.2024

Carl Friedrich Moritz Müller

Lot 499
GEDENKET DER ARMEN
Öl auf Leinwand. Doubliert.

139 x 119 cm

Lot 499
GEDENKET DER ARMEN
Öl auf Leinwand. Doubliert.
139,0 x 119,0 cm

Schätzpreis:
€ 30.000 - 60.000
Auktion: 5 Tage

Hampel Fine Art Auctions

Ort: Munich
Auktion: 26.09.2024 13:00 Uhr
Auktionsnummer: 141
Auktionsname: SEPTEMBER AUCTIONS: Impressionists & Modern Art | 19th/20th Century Paintings

Lot Details
Links unten signiert, ortsbezeichnet „München“ und datiert „1860“.
In vergoldetem Rahmen mit rundbogigem Abschluss mit Blütenrelief.

Erst die genauere Betrachtung der Darstellung verrät uns einiges. Nicht zufällig hat der Maler ein rundbogiges Format gewählt, das auf den Bildinhalt – nämlich das Kircheninnere – verweist. Wände und Kanzel zeigen sich auffallend schlicht. Das entspricht auch dem Habitus des Predigers, der in brauner Kapuzinerkutte zu erkennen ist und somit einem Bettelorden angehört. Die Tafel auf einem Opferstock links mahnt im Halbdunkel „Gedenket der Armen“. Erst in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die zum Teil festlich gekleidete Gemeinde im Raum vielfach im Gegensatz zu denen steht, die in der mahnenden Predigt gemeint sind.
Man darf nicht vergessen, dass die Zeit, in der Feuermüller dieses Bild schuf, durchaus geplagt war von großen sozialen Verwerfungen. 1859 hat der Österreicher Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) sein berühmt gewordenes Bild „Die Klostersuppe“ geschaffen. Dort fiel die Gesellschaftskritik heftiger aus. Feuermüller dagegen bedient sich einer feineren Psychologie. Jedem Gesicht, jeder Haltung der einzelnen Figuren ist eine ganz individuelle Reaktion auf die Mahnungen des Predigers abzulesen. Betroffenheit liegt im Blick der gut genährten Frau im Bildzentrum, wohingegen eine in Witwenschwarz Gekleidete links daneben ein Tränentuch hält. Ein kleines Mädchen blickt traurig-fragend zu einem Mann mit Schirm unter dem Arm hoch, vielleicht ihr Großvater, der wohl einiges erlebt hat. Als weit weniger mitempfindend hat der Maler einige Männer am rechten Bildrand charakterisiert. Man mag hineininterpretieren, welche Gedanken sich hinter diesen Gesichtern verbergen. Eher kritisches Nachdenken verrät der bärtige Mann am Fuß der Kanzel. Ein Dorflehrer vielleicht. Völlig mit sich selbst beschäftigt, und noch fern all dieser Zeitprobleme, zeigen sich die beiden kleinen Mädchen im Vordergrund, die ein Heiligenbildchen vors Kerzenlicht halten, beobachtet von einem Knaben. Derlei Beobachtungen lassen sich bei sämtlichen der ins Bild gesetzten Figuren machen, wie etwa auch die Lokalisierung der Darstellung durch die Trachten, vor allem der grünen kegelförmigen Hüte, wie sie im Voralpenland und Tirol anzufinden war.
Das Psychologisieren im Genrebild wurde im 19. Jahrhundert zum eigentlichen Sinn dieser Bildgattung. Darin – und keineswegs nur in der realistischen bestaunenswerten Naturalistik der Lichteffekte – liegt die Leistung des Malers und die Bedeutung des Bildes.

Seinen Beinamen Feuermüller verdankt der Maler den Stimmungseffekten, mit denen er seine nächtlichen Genrebilder in Kerzenbeleuchtung zu tauchen vermochte. Diese Art der Darstellung war in der Malerei durchaus nicht neu. Bereits im 17. Jahrhundert hatten die Maler Georges de la Tour oder die Gruppe der „Candellight“ – Maler, dann auch Gottfried von Schalcken diese Effekte kultiviert. Im 19. Jahrhundert hat der gleichaltrige Belgier Pieter van Schendel (1806-1870) sich ebenfalls nächtlichen Gruppenbildnissen bei Kerzenlicht gewidmet. Jetzt ging es nicht mehr allein um die raffinierten Lichteffekte, sondern vor allem um die Dokumentation des Volkslebens, des Genres also. Müller hatte bereits in Dresden bei seinem Vater, dann bei Friedrich Matthäi studiert, um als Porträtist und Kirchenmaler in Zittau zu wirken, zog jedoch alsbald in die Kunststadt München. Den politischen Ereignissen der Zeit entsprechend, widmete er sich – wie Defregger – mit seinen Bildthemen etwa den Tiroler Befreiungskriegen. So entstand 1834 die „Szene aus dem Tirolerkriege“, oder 1847 „Andreas Hofer auf der Flucht“. Müllers Empathie für die durch Politik und die Zeitverhältnisse zu dieser Zeit stark betroffene Gesellschaft ist seinen Werken anzusehen. Dies zeigt sich auch in dem hier vorliegenden Werk, dessen Thematik sich nahezu versteckt auf einer Schrifttafel am Opferstock in dieser Kirche offenbart: „Gedenket der Armen!“.

Anmerkung:
1834 erwarb König Ludwig I von Bayern eine „Szene aus dem Tiroler Krieg 1809“ (München, Neue Pinakothek, Inv.-Nr. WAF 691).

Literatur:
Vgl. Horst Ludwig, C.F. M. Müller, in: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst (im 19. Jahrhundert), Bd. 3, S. 189 f.
Vgl. Alexander Rauch, Klassizismus und Romantik, Europas Malerei zwischen zwei Revolutionen, Köln 2000, S. 318. (14101017) (11)



Carl Friedrich Moritz Müller,
also known as “Feuermüller”,
1807 Dresden – 1865 Munich

REMEMBER THE POOR

Oil on canvas. Relined.
139 x 119 cm.
Signed, with place name Munich and dated 1860 lower left.

The painter’s nickname “Feuermüller” [Fire Müller] arose due to the atmospheric effects employed by him to immerse his nocturnal genre paintings in candlelight. This type of depiction was by no means a novelty in painting. Painters such as Georges de la Tour and the group of “candlelight” painters, and then Gottfried von Schalcken, had already refined these effects in the 17th century. In the 19th century, the Belgian artist Pieter van Schendel (1806-1870), a contemporary of Müller, also devoted himself to nocturnal group portraits by candlelight. From then on, the depictions were no longer just to show off sophisticated lighting effects, but more importantly a manifestation and documentation of popular life, i.e. genre paintings. It is evident in his works, that Müller displays empathy for a society heavily affected by the politics and circumstances of the time. The plaque on a collection box on the left warns in the semi-darkness: “Remember the poor”. A reminder, that the artist’s age was plagued by great social upheaval. During the 19th century, the psychological aspect of genre painting became the true meaning of this genre. This is the artist’s true accomplishment and the painting’s importance rather than just the realistic and astonishingly naturalistic nature of the lighting effects.

Provenance:
In 1834, King Louis I of Bavaria acquired a “Scene from the Tyrolean War of 1809” (Munich, Neue Pinakothek, inv. no. WAF 691).

Literature:
cf. Horst Ludwig, C.F. M. Müller, in: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst. Münchner Maler im 19. Jahrhundert, vol. 3, p. 189f.
cf. Alexander Rauch, Klassizismus und Romantik, Europas Malerei zwischen zwei Revolutionen, Cologne 2000, p. 318.
Lot Details
Links unten signiert, ortsbezeichnet „München“ und datiert „1860“.
In vergoldetem Rahmen mit rundbogigem Abschluss mit Blütenrelief.

Erst die genauere Betrachtung der Darstellung verrät uns einiges. Nicht zufällig hat der Maler ein rundbogiges Format gewählt, das auf den Bildinhalt – nämlich das Kircheninnere – verweist. Wände und Kanzel zeigen sich auffallend schlicht. Das entspricht auch dem Habitus des Predigers, der in brauner Kapuzinerkutte zu erkennen ist und somit einem Bettelorden angehört. Die Tafel auf einem Opferstock links mahnt im Halbdunkel „Gedenket der Armen“. Erst in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die zum Teil festlich gekleidete Gemeinde im Raum vielfach im Gegensatz zu denen steht, die in der mahnenden Predigt gemeint sind.
Man darf nicht vergessen, dass die Zeit, in der Feuermüller dieses Bild schuf, durchaus geplagt war von großen sozialen Verwerfungen. 1859 hat der Österreicher Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) sein berühmt gewordenes Bild „Die Klostersuppe“ geschaffen. Dort fiel die Gesellschaftskritik heftiger aus. Feuermüller dagegen bedient sich einer feineren Psychologie. Jedem Gesicht, jeder Haltung der einzelnen Figuren ist eine ganz individuelle Reaktion auf die Mahnungen des Predigers abzulesen. Betroffenheit liegt im Blick der gut genährten Frau im Bildzentrum, wohingegen eine in Witwenschwarz Gekleidete links daneben ein Tränentuch hält. Ein kleines Mädchen blickt traurig-fragend zu einem Mann mit Schirm unter dem Arm hoch, vielleicht ihr Großvater, der wohl einiges erlebt hat. Als weit weniger mitempfindend hat der Maler einige Männer am rechten Bildrand charakterisiert. Man mag hineininterpretieren, welche Gedanken sich hinter diesen Gesichtern verbergen. Eher kritisches Nachdenken verrät der bärtige Mann am Fuß der Kanzel. Ein Dorflehrer vielleicht. Völlig mit sich selbst beschäftigt, und noch fern all dieser Zeitprobleme, zeigen sich die beiden kleinen Mädchen im Vordergrund, die ein Heiligenbildchen vors Kerzenlicht halten, beobachtet von einem Knaben. Derlei Beobachtungen lassen sich bei sämtlichen der ins Bild gesetzten Figuren machen, wie etwa auch die Lokalisierung der Darstellung durch die Trachten, vor allem der grünen kegelförmigen Hüte, wie sie im Voralpenland und Tirol anzufinden war.
Das Psychologisieren im Genrebild wurde im 19. Jahrhundert zum eigentlichen Sinn dieser Bildgattung. Darin – und keineswegs nur in der realistischen bestaunenswerten Naturalistik der Lichteffekte – liegt die Leistung des Malers und die Bedeutung des Bildes.

Seinen Beinamen Feuermüller verdankt der Maler den Stimmungseffekten, mit denen er seine nächtlichen Genrebilder in Kerzenbeleuchtung zu tauchen vermochte. Diese Art der Darstellung war in der Malerei durchaus nicht neu. Bereits im 17. Jahrhundert hatten die Maler Georges de la Tour oder die Gruppe der „Candellight“ – Maler, dann auch Gottfried von Schalcken diese Effekte kultiviert. Im 19. Jahrhundert hat der gleichaltrige Belgier Pieter van Schendel (1806-1870) sich ebenfalls nächtlichen Gruppenbildnissen bei Kerzenlicht gewidmet. Jetzt ging es nicht mehr allein um die raffinierten Lichteffekte, sondern vor allem um die Dokumentation des Volkslebens, des Genres also. Müller hatte bereits in Dresden bei seinem Vater, dann bei Friedrich Matthäi studiert, um als Porträtist und Kirchenmaler in Zittau zu wirken, zog jedoch alsbald in die Kunststadt München. Den politischen Ereignissen der Zeit entsprechend, widmete er sich – wie Defregger – mit seinen Bildthemen etwa den Tiroler Befreiungskriegen. So entstand 1834 die „Szene aus dem Tirolerkriege“, oder 1847 „Andreas Hofer auf der Flucht“. Müllers Empathie für die durch Politik und die Zeitverhältnisse zu dieser Zeit stark betroffene Gesellschaft ist seinen Werken anzusehen. Dies zeigt sich auch in dem hier vorliegenden Werk, dessen Thematik sich nahezu versteckt auf einer Schrifttafel am Opferstock in dieser Kirche offenbart: „Gedenket der Armen!“.

Anmerkung:
1834 erwarb König Ludwig I von Bayern eine „Szene aus dem Tiroler Krieg 1809“ (München, Neue Pinakothek, Inv.-Nr. WAF 691).

Literatur:
Vgl. Horst Ludwig, C.F. M. Müller, in: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst (im 19. Jahrhundert), Bd. 3, S. 189 f.
Vgl. Alexander Rauch, Klassizismus und Romantik, Europas Malerei zwischen zwei Revolutionen, Köln 2000, S. 318. (14101017) (11)



Carl Friedrich Moritz Müller,
also known as “Feuermüller”,
1807 Dresden – 1865 Munich

REMEMBER THE POOR

Oil on canvas. Relined.
139 x 119 cm.
Signed, with place name Munich and dated 1860 lower left.

The painter’s nickname “Feuermüller” [Fire Müller] arose due to the atmospheric effects employed by him to immerse his nocturnal genre paintings in candlelight. This type of depiction was by no means a novelty in painting. Painters such as Georges de la Tour and the group of “candlelight” painters, and then Gottfried von Schalcken, had already refined these effects in the 17th century. In the 19th century, the Belgian artist Pieter van Schendel (1806-1870), a contemporary of Müller, also devoted himself to nocturnal group portraits by candlelight. From then on, the depictions were no longer just to show off sophisticated lighting effects, but more importantly a manifestation and documentation of popular life, i.e. genre paintings. It is evident in his works, that Müller displays empathy for a society heavily affected by the politics and circumstances of the time. The plaque on a collection box on the left warns in the semi-darkness: “Remember the poor”. A reminder, that the artist’s age was plagued by great social upheaval. During the 19th century, the psychological aspect of genre painting became the true meaning of this genre. This is the artist’s true accomplishment and the painting’s importance rather than just the realistic and astonishingly naturalistic nature of the lighting effects.

Provenance:
In 1834, King Louis I of Bavaria acquired a “Scene from the Tyrolean War of 1809” (Munich, Neue Pinakothek, inv. no. WAF 691).

Literature:
cf. Horst Ludwig, C.F. M. Müller, in: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst. Münchner Maler im 19. Jahrhundert, vol. 3, p. 189f.
cf. Alexander Rauch, Klassizismus und Romantik, Europas Malerei zwischen zwei Revolutionen, Cologne 2000, p. 318.
Kunstauktionen - aus der ganzen Welt
- auf einen Blick !
Kunstauktionen - aus der ganzen Welt
Auf einen Blick !
ios_instruction