Stand 14.11.2024

JOHANN FRIEDRICH AUGUST TISCHBEIN

Lot 42
Pendants: Bildnis der Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach, verh. Reichenbach und des Christian Wilhelm Reichenbach (Fruit still life with grapes and vine leaves on a marble table)
Öl auf Leinwand (doubliert)


Lot 42
Pendants: Bildnis der Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach, verh. Reichenbach und des Christian Wilhelm Reichenbach (Fruit still life with grapes and vine leaves on a marble table)
Öl auf Leinwand (doubliert)

Schätzpreis:
€ 15.000 - 20.000
Auktion: heute

Karl & Faber Kunstauktionen GmbH

Ort: Munich, Germany
Auktion: 15.11.2024
Auktionsnummer: 328
Auktionsname: Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts

Lot Details
JOHANN FRIEDRICH AUGUST TISCHBEIN (1750 Maastricht - Heidelberg 1812) – Pendants: Bildnis der Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach, verh. Reichenbach und des Christian Wilhelm Reichenbach (Fruit still life with grapes and vine leaves on a marble table)

Als der Künstler 1800 von Dessau aus an seine neue Wirkungsstätte als Akademiedirektor nach Leipzig wechselte, wurde er von den dortigen renommierten bürgerlichen Kreisen wie den Familien, Dufour-Feronce, Dufour-Palllard, Frege, Löhr, Crayen, Limburger u.a. sofort mit einer Vielzahl von Aufträgen bedacht. Mit Tischbein stand der kursächsischen Handels- und Messestadt nunmehr vor Ort ein Maler zur Verfügung, welcher es kongenial verstand, das gestiegene soziale Selbstverständnis des arrivierten Bürgertums künstlerischen im Bildnis zum Ausdruck zu bringen. So entstammten auch die Auftraggeber der beiden Bildnisse jener angesehenen Oberschicht der Stadt, welche aus Bankiers und Handelsherren bestand. Die Dargestellte - Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach (1782 – 1835) (Halbfigur im gemalten Oval, frontal, Kopf leicht nach links geneigt vor dunkel-grünem Grund) war die vierte Tochter des Altenburger (in Thüringen) Bankiers Johann Heinrich Reichenbach (1736–1806). Sie wurden damals, auch über ihre Heimat hinaus, als die „vier schönen Schwestern Reichenbach“ von der Öffentlichkeit wahrgenommen. 1802 heirate Christiane Auguste – auch Minna genannt - ihren Cousin Christian Wilhelm, siehe Pendant). Dieser war Teilhaber des Leipziger Bankhauses Reichenbach & Comp. Sicherlich wird die Heirat der Anlaß zur Ausführung der Bildnisse gewesen sein. Die charmante Anmut, der Liebreiz und das attraktive Flair von Minna – die noch in den 1820iger Jahren als schönste Frau Leipzigs galt – wusste Tischbein durch seinen modernen Porträtstil, der das malerische Potenzial des vorangegangenen Jahrhunderts mit den empfindsamen Intentionen um 1800 und dem Einfluss englischer Vorbilder zu verbinden wußte, in besonderer Weise wiederzugeben. Dabei werden die Farbschichten sowohl transparent wie auch weich-tonig gelegt, wodurch das Bildnis gleichsam ein zartes Sentiment wie unmittelbare Natürlichkeit atmet. Das Bildnis der Minna Reichenbach steht stilistisch zwischen Tischbeins Porträts der Konradine Hufeland (1798, Berlin) und der Betty Tischbein (1805, Kassel) und ist qualitativ-stilistisch mit jenem der Anne Pauline Dufour-Ferone mit Sohn Marc Albert (1802, Kassel) und dem der Henriette J. Limburger (1802, Leipzig) vergleichbar. Auch in der Literaturgeschichte erlangte Minna Reichenbach eine periphere Bedeutung durch ihren vor knapp hundert Jahren identifizierten Briefwechsel mit dem Romantiker Clemens Brentano (1778-1842) aus dem Jenaer Schlegel-Tieck-Kreis. Sie hatte ihn 1799 im Haus ihrer Eltern in Altenburg (Thüringen) kennengelernt; von Leidenschaft übermannt, hatte ihr der junge Dichter einen Heiratsantrag gemacht, den Minna aber zurückwies. Cl. Brentano widmete ihr den ersten Teil seines frühen Romans „Godwi oder das steinerne Bild der Mutter“, 1801. (Siehe Gajek, Bernhard: Doch wohnt nur eine Liebe in dem Leben – Clemens Brentanos Briefe und Sonette an Minna Reichenbach. 2003). Minna Reichenbach war sowohl in ihrer Heimatstadt wie auch in Leipzig im dortigen Laientheater stark engagiert, an dem auch die Tischbein-Töchter Caroline und Betty mitwirkten. Christian Wilhelm Reichenbach [(1778 – 1857), (Halbfigur im gemalten Oval, nach rechts gewandt, Kopf im Dreiviertelprofil dem Betrachter zugewandt, vor dunkel-bräunlichem Grund) stammte aus einer Altenburger Bankiersfamilie und wurde 1800 Teilhaber der Leipziger Bank Reichenbach & Comp. am Neumarkt. 1814 kaufte er den vormaligen bekannten Richterschen Garten in Leipzig und ließ ihn wieder instandsetzen. 1802 heiratete er seine Cousine Christiane Auguste Wilhelmine Reichenbach, was sicherlich der Anlass für die Ausführung der Bildnisse war, die sicherlich als Pendantporträts gedacht waren, wenn es sich auch nicht so darstellt. Während das Damenbildnis frontal angelegt wurde, wendet sich das männlichen Gegenstück nach rechts und durch eine Kopfdrehung eher schüchtern dem Betrachter wie auch seiner Ehefrau zu. Koloristisch überwiegt hier eine dunkle, erdige Tonalität, die schwerer wirkt als bei dem Damenbildnis. In der Regel dominieren in den Herrendarstellungen bei Tischbein schwerere Farblagen, was sich durch die Materialkonsistenz der damaligen Bekleidung erklärt; außerdem war das Empfindsamkeitsideal dem männlichen Modell bildkünstlerisch nicht so perfekt anzuverwandeln wie beim weiblichen Pendant. Zum Vergleich; das Ehepaar Reichenbach wurde auch von Ludwig Geyer (1779-1821) im Jahre 1816 porträtiert (Stadtgesch. Museum, Leipzig). Dr. Martin Franke

Literatur: Limburger, Walter, Clemens Brentano und Minna Reichenbach. Leipzig 1921. Abb. vor dem Text. (dort als Wilhelm Tischbein bezeichnet), S. 6; Stoll, Adolf, Der Maler Joh. Friedrich August Tischbein und seine Familie, Stuttgart 1923, S. 197 (dort nach Limburger, Walter, 1921). Johann Friedrich August Tischbein, Leipziger Kunstverein im Museum am Augustusplatz, Ausstellung April/Mai 1924, Kat.-Nr. 44; Franke, Martin, WV Johann Friedrich August Tischbein, 1993, Nr. 360.

Provenienz: im Besitz der Familie der Dargestellten, u.a. Frau Dr. Limburger, Leipzig; Van Ham, Köln, Auktion Fine Art, 17.11.2022, Los 695; seitdem in Privatbesitz, Bayern.
Lot Details
JOHANN FRIEDRICH AUGUST TISCHBEIN (1750 Maastricht - Heidelberg 1812) – Pendants: Bildnis der Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach, verh. Reichenbach und des Christian Wilhelm Reichenbach (Fruit still life with grapes and vine leaves on a marble table)

Als der Künstler 1800 von Dessau aus an seine neue Wirkungsstätte als Akademiedirektor nach Leipzig wechselte, wurde er von den dortigen renommierten bürgerlichen Kreisen wie den Familien, Dufour-Feronce, Dufour-Palllard, Frege, Löhr, Crayen, Limburger u.a. sofort mit einer Vielzahl von Aufträgen bedacht. Mit Tischbein stand der kursächsischen Handels- und Messestadt nunmehr vor Ort ein Maler zur Verfügung, welcher es kongenial verstand, das gestiegene soziale Selbstverständnis des arrivierten Bürgertums künstlerischen im Bildnis zum Ausdruck zu bringen. So entstammten auch die Auftraggeber der beiden Bildnisse jener angesehenen Oberschicht der Stadt, welche aus Bankiers und Handelsherren bestand. Die Dargestellte - Christiane Auguste Wilhelmine, gen. Minna, Reichenbach (1782 – 1835) (Halbfigur im gemalten Oval, frontal, Kopf leicht nach links geneigt vor dunkel-grünem Grund) war die vierte Tochter des Altenburger (in Thüringen) Bankiers Johann Heinrich Reichenbach (1736–1806). Sie wurden damals, auch über ihre Heimat hinaus, als die „vier schönen Schwestern Reichenbach“ von der Öffentlichkeit wahrgenommen. 1802 heirate Christiane Auguste – auch Minna genannt - ihren Cousin Christian Wilhelm, siehe Pendant). Dieser war Teilhaber des Leipziger Bankhauses Reichenbach & Comp. Sicherlich wird die Heirat der Anlaß zur Ausführung der Bildnisse gewesen sein. Die charmante Anmut, der Liebreiz und das attraktive Flair von Minna – die noch in den 1820iger Jahren als schönste Frau Leipzigs galt – wusste Tischbein durch seinen modernen Porträtstil, der das malerische Potenzial des vorangegangenen Jahrhunderts mit den empfindsamen Intentionen um 1800 und dem Einfluss englischer Vorbilder zu verbinden wußte, in besonderer Weise wiederzugeben. Dabei werden die Farbschichten sowohl transparent wie auch weich-tonig gelegt, wodurch das Bildnis gleichsam ein zartes Sentiment wie unmittelbare Natürlichkeit atmet. Das Bildnis der Minna Reichenbach steht stilistisch zwischen Tischbeins Porträts der Konradine Hufeland (1798, Berlin) und der Betty Tischbein (1805, Kassel) und ist qualitativ-stilistisch mit jenem der Anne Pauline Dufour-Ferone mit Sohn Marc Albert (1802, Kassel) und dem der Henriette J. Limburger (1802, Leipzig) vergleichbar. Auch in der Literaturgeschichte erlangte Minna Reichenbach eine periphere Bedeutung durch ihren vor knapp hundert Jahren identifizierten Briefwechsel mit dem Romantiker Clemens Brentano (1778-1842) aus dem Jenaer Schlegel-Tieck-Kreis. Sie hatte ihn 1799 im Haus ihrer Eltern in Altenburg (Thüringen) kennengelernt; von Leidenschaft übermannt, hatte ihr der junge Dichter einen Heiratsantrag gemacht, den Minna aber zurückwies. Cl. Brentano widmete ihr den ersten Teil seines frühen Romans „Godwi oder das steinerne Bild der Mutter“, 1801. (Siehe Gajek, Bernhard: Doch wohnt nur eine Liebe in dem Leben – Clemens Brentanos Briefe und Sonette an Minna Reichenbach. 2003). Minna Reichenbach war sowohl in ihrer Heimatstadt wie auch in Leipzig im dortigen Laientheater stark engagiert, an dem auch die Tischbein-Töchter Caroline und Betty mitwirkten. Christian Wilhelm Reichenbach [(1778 – 1857), (Halbfigur im gemalten Oval, nach rechts gewandt, Kopf im Dreiviertelprofil dem Betrachter zugewandt, vor dunkel-bräunlichem Grund) stammte aus einer Altenburger Bankiersfamilie und wurde 1800 Teilhaber der Leipziger Bank Reichenbach & Comp. am Neumarkt. 1814 kaufte er den vormaligen bekannten Richterschen Garten in Leipzig und ließ ihn wieder instandsetzen. 1802 heiratete er seine Cousine Christiane Auguste Wilhelmine Reichenbach, was sicherlich der Anlass für die Ausführung der Bildnisse war, die sicherlich als Pendantporträts gedacht waren, wenn es sich auch nicht so darstellt. Während das Damenbildnis frontal angelegt wurde, wendet sich das männlichen Gegenstück nach rechts und durch eine Kopfdrehung eher schüchtern dem Betrachter wie auch seiner Ehefrau zu. Koloristisch überwiegt hier eine dunkle, erdige Tonalität, die schwerer wirkt als bei dem Damenbildnis. In der Regel dominieren in den Herrendarstellungen bei Tischbein schwerere Farblagen, was sich durch die Materialkonsistenz der damaligen Bekleidung erklärt; außerdem war das Empfindsamkeitsideal dem männlichen Modell bildkünstlerisch nicht so perfekt anzuverwandeln wie beim weiblichen Pendant. Zum Vergleich; das Ehepaar Reichenbach wurde auch von Ludwig Geyer (1779-1821) im Jahre 1816 porträtiert (Stadtgesch. Museum, Leipzig). Dr. Martin Franke

Literatur: Limburger, Walter, Clemens Brentano und Minna Reichenbach. Leipzig 1921. Abb. vor dem Text. (dort als Wilhelm Tischbein bezeichnet), S. 6; Stoll, Adolf, Der Maler Joh. Friedrich August Tischbein und seine Familie, Stuttgart 1923, S. 197 (dort nach Limburger, Walter, 1921). Johann Friedrich August Tischbein, Leipziger Kunstverein im Museum am Augustusplatz, Ausstellung April/Mai 1924, Kat.-Nr. 44; Franke, Martin, WV Johann Friedrich August Tischbein, 1993, Nr. 360.

Provenienz: im Besitz der Familie der Dargestellten, u.a. Frau Dr. Limburger, Leipzig; Van Ham, Köln, Auktion Fine Art, 17.11.2022, Los 695; seitdem in Privatbesitz, Bayern.
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