Stand 21.11.2024

Bernardo Bellotto

Lot 221
DER PIER MIT DEM DOGENPALAST UND DEN GEFÄNGNISSEN NACH WESTEN
Öl auf Leinwand. Doubliert.

62 x 96 cm

Lot 221
DER PIER MIT DEM DOGENPALAST UND DEN GEFÄNGNISSEN NACH WESTEN
Öl auf Leinwand. Doubliert.
62,0 x 96,0 cm

Schätzpreis:
€ 600.000 - 800.000
Auktion: 8 Tage

Hampel Fine Art Auctions

Ort: Munich
Auktion: 05.12.2024 11:00 Uhr
Auktionsnummer: 142
Auktionsname: DEZEMBER-AUKTIONEN - Gemälde Alte Meister - Teil 1

Lot Details


Beigegeben eine Expertise von Dario Succi, Gorizia, 2024, in Kopie.

Über den Canal Grande mit zahlreichen Gondeln und Booten mit dahinter liegender Molo, flankiert vom prachtvollen Dogenpalast, den beiden Säulen mit dem Markuslöwen und dem Heiligen Todaro mit Drachen sowie dem Campanile - und alles in der von Bellotto gewohnten feinen vedutenhaften Feinheit nicht ohne die Dynamik des Moments vermissen zu lassen. Der Prototyp für diese Ansicht wurde von Canaletto geschaffen (59 x 93 cm) und ist Teil einer vierteiligen Serie, die in Venedig durch Charles Powlett, Third Duke of Bolton (1658-1754) erworben wurde. Erstmals wurde die Serie von George Knox 1993 in einem Artikel im Apollo publiziert und in die 1730er Jahre datiert, die Zuschreibung wurde dann in J.G. Links, Canaletto Giovanni Antonio Canal (1697-1768), 1998, S. 9-10 bestätigt. Vom Prototyp Canaletto‘s, der Der Pier mit dem Dogenpalast und den Gefängnissen nach Westen darstellt und um 1735 datierbar ist, leitete der sehr junge Bellotto die Zeichnung ab, die Teil der Werkstatt-Sammlung war: Sie wurde von seiner Familie vererbt, als er in Wilno lebte, und gelangte nach einigen Zwischenstationen 1829 in den Besitz des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt. Die Zeichnung wurde erstmals detailliert von H.A. Fritsche im Band „Bernardo Bellotto genannt Canaletto“ (Burg bei Magdeburg, 1936) beschrieben: „Die Uferpromenade vom Münzgebäude bis zu den Gefängnissen, gesehen vom Becken aus: Alle horizontalen Linien sind mit dem Lineal gemacht, sehr unsicher und unbefriedigend. Aus einem fremden Modell.“ Zwischen 1938 und 1941 wurde die Zeichnung zusammen mit anderen Arbeiten von Bellotto aus dem Museum aussortiert und, nach einer Versteigerung mit Zuschreibung an Canaletto, bei Fischer in Luzern (2. Juni 1945, Los Nr. 9) verkauft, wobei die Spuren verloren gingen.
Bis heute waren bereits zwei Gemälde von Bellotto bekannt, die auf der Zeichnung basieren: Das erste, datierbar auf 1736-1737, wurde von Constable, Links mit Zuschreibung an Canaletto (Hg. 1989; I, Tafel 191, Nr. 85; I, S. 226, Nr. 85) katalogisiert und reproduziert. Es stammte aus der Sammlung von J.H.H. V. Lane, Kings‘ Bromley Manor, Lichfield, und wurde 1912 bei Christie‘s (14. Dezember, Los Nr. 122) als J.B. Canaletto an Ascher Wertheimer verkauft, der es an Adolph Hirsch (+1862) weiterverkaufte, von dem es an seinen Neffen George Pinto (1929-2018) vererbt wurde. Ein Jahr nach dessen Tod wurde die Ansicht mit korrekter Zuschreibung an Bellotto bei Christie‘s in London (4. Juli 2019, Los Nr. 40; 60,8 x 97,5 cm) versteigert. Das Gemälde, das 1736-1737 ausgeführt wurde und ohne Abweichung von der Zeichnung stammt, zeigt Bellottos Versuch, Canaletto‘s sonnige Leuchtkraft nachzuahmen, die präzise Beschreibung des architektonischen Gefüges und die Typologie der Staffagefiguren.
Das zweite Gemälde, fast identisch in der Größe, datiert auf 1737-1738, gehörte zum Nachlass des Kunsthändlers Giancarlo Baroni und wurde bei Sotheby‘s in New York (29.-30. Januar 2013, Los Nr. 30; 61,2 x 97,8 cm) als Bellotto versteigert. Die Ansicht zeigt im Vergleich zur ersten eine stilistische und chromatische Variation, die die fortschreitende Entwicklung von Bellottos Kunst dokumentiert, insbesondere in der Betonung der Chiaroscuro-Kontraste auf der Erhebung der Bibliothek, an den Seitenfassaden des Dogenpalastes und der Gefängnisse, sowie in der Hinzufügung von Schattierungen über den Fenstern der Gefängnisse, die einen scharfen Kontrast zum Weiß des istrischen Steinverkleidung bilden. Weitere Änderungen umfassen das Entfernen einiger Boote und zahlreicher Spritzer auf dem Pier, während die Wolken, die zuvor einen horizontalen Verlauf wie in der Zeichnung hatten, nun nach oben in den Himmel expandieren, der mit einem intensiven und fast eisigen Blau getönt ist. Die Staffagefiguren im Vordergrund zeigen eine bemerkenswerte Neigung zum karikaturistischen Realismus, der völlig fremd zur Praxis Canaletto‘s war. Diese erzählerische Tendenz wurde erstmals von Terisio Pignatti (Gli inizi di Bernardo Bellotto, in: Arte Veneta, XX, 1966, S. 226) festgestellt, der dazu anregte, die Unterschiede in den Endergebnissen der beiden Künstler zu betrachten: „Niemand würde den arricciolaten Chinoiserie-Stil von Canaletto‘s Malweise in einem Gemälde der 1760er Jahre, wie etwa in der Darstellung der Procuratie in der National Gallery in London, mit den scharfen Karikaturen Bellottos in der fast gleichzeitigen Ansicht der Kreuzkirche in Dresden verwechseln. Und wir wissen, dass Bellotto gegen Ende seiner Karriere in Warschau sogar große Figuren und lebensechte Porträts in seine Landschafts- oder Architekturansichten einfügte.“ Das hier angebotene außergewöhnliche, bislang unveröffentlichte Gemälde, datierbar auf etwa 1736 folgt der vorbereitenden Zeichnung in architektonischen Details und in der Verteilung der Staffagefiguren, wobei es die Ansicht in das typische sonnige, von Canaletto abgeleitete goldene Licht taucht, das für Bellottos frühe Phase charakteristisch ist. Besonders im rechten Himmel sind die kratzigen diagonalen Streifen in der Grundvorbereitung sichtbar, die die eigenhändigen Arbeiten von Canaletto und seinem Neffen kennzeichnen. Die prächtige Ansicht stellt, auch aus wissenschaftlicher Sicht, ein außergewöhnliches Dokument der Kunst Bellottos dar, dessen Lehre in der Werkstatt seines Onkels 1735 begann, als er dreizehn Jahre alt war: Es war damals weit verbreitet, dass ein angehender Maler früh als Lehrling in die Dienste des Meisters trat, um sich mit der Zubereitung von Pigmenten vertraut zu machen, und dann versuchte, die Rolle des Helfers zu übernehmen. Der künstlerische Werdegang des jungen Bellotto entwickelte sich als kontinuierlicher Balanceakt zwischen den Einflüssen von Canaletto‘s Manier und eigenen, geniale innovativen Ideen: Die ikonografischen Modelle des Meisters waren natürlich seine Favoriten, aber obwohl sie fast wörtlich übernommen wurden, tendierten sie dazu, sich zu immer stärker charakterisierten Ausdrucksformen zu entwickeln. Da Bellotto das Glück hatte, Zugang zu den Geheimnissen der Werkstatt zu erhalten, versuchte er, den strahlenden Ansichten so nahe wie möglich zu kommen, was auch dadurch belegt wird, dass die am meisten replizierten Gemälde zunächst jene waren, die Canaletto für den Patron und Sammler Joseph Smith ausgeführt hatte, und die von Antonio Visentini auf Kupfer übertragen und erstmals in der 1735 erschienenen Sammlung von Kupferstichen Prospectus Magni Canalis Venetiarum veröffentlicht wurden, die 1742 mit einer vollständigen Ausgabe von achtunddreißig Ansichten fortgesetzt wurde.
Das Problem, das mit den Ansichts-Gemälden von Bellotto von seinen Anfängen bis zu seiner endgültigen Trennung von seinem Onkel 1743 zusammenhängt, wurde in den Katalogen der Ausstellungen behandelt: Bernardo Bellotto detto il Canaletto (Mirano, Villa Morosini, 1999) und Bernardo Bellotto, il Canaletto delle Corti Europee (Conegliano, Palazzo Sarcinelli, Marsilio 2011). Die frühesten Ansichten stammen sicherlich aus der Zeit vor 1738, als Bellottos Name im Verzeichnis der Zunft der venezianischen Maler erschien: Ein Faktum, das auf den Erwerb einer gewissen beruflichen Autonomie hinweist. In dieser Phase, die bis etwa 1740 dauerte, unterschied sich die Ausdrucksweise des Schülers von der Canaletto‘s durch ein Licht, das sich allmählich von der warmen Sonneneinstrahlung hin zu einer dünneren, silbrigen Transparenz entwickelte. Ab den 1740er Jahren nahm sein Stil markante Züge an, die sich in der prägnanten Solidität der architektonischen Elemente, die mit dünnen schwarzen Linien profiliert sind, der allgemeinen silbrigen Helligkeit und den starken Schattierungen, die sich entschieden von den schattigen Bereichen abheben, zusammenfassen lassen.
Die erfolgreiche Vertiefung des Wissens verschiedener Gelehrter über Bellottos Tätigkeit als Schöpfer venezianischer Veduten ermöglicht es – wie im Fall des hier angebotenen Gemäldes – diese Werke leicht in den künstlerischen Werdegang des Malers einzuordnen, der als Protagonist einer glänzenden Karriere, die ihn in seinen frühen Zwanzigern in den Dienst der europäischen Größen führte, tätig war: Turin, Dresden, Wien, München, Warschau. Bellotto, der einer der großen Maler der venezianischen Vedutenkunst des 18. Jahrhunderts zusammen mit Luca Carlevarijs, Antonio Canal genannt „Canaletto“, Michele Marieschi und Francesco Guardi war, entstammte einer Familie, aus der bereits zwei weitere Maler bekannt sind. Sein Großvater und dessen Bruder waren Theatermaler und sein Onkel war der schon seinerzeit berühmte venezianische Vedutist Giovanni Antonio Canal (1697-1768), genannt „Canaletto“, in dessen Werkstatt Bernardo 1736 eintrat. Da über die folgenden Jahre bis 1742 nur wenig über Bellotto bekannt ist, außer hunderte erhaltener Zeichnungen und nur wenige ihm zuordenbare Veduten, ist es ein Glücksfall, dass wir das vorliegende Gemälde anbieten können. Durch sein weiteres Werk, das ihn als Schöpfer von Veduten so zahlreicher Städte wie München, Wien, Turin, Pirna, Dresden oder Warschau bekannt gemacht hat, gilt er bis heute als einer der bedeutensten Vedutisten des 18. Jahrhunderts.

Literatur
Vgl. Dario Succi, Bernardo Bellotto detto il Canaletto, Ausstellungskatalog, Villa Morosini, Mirano, 23. Oktober - 19. Dezember 1999, Mailand 1999.
Vgl. Dario Succi, Bernardo Bellotto. Il Canaletto delle corti europee, Ausstellungskatalog, Galleria Comunale d‘Arte Moderna, Conegliano, 11. November 2011-15. April 2012, Venedig 2011.
Vgl. Dario Succi, Carlevarijs, van Wittel, Venezia (The young Bellotto), in: Luca Carlevarijs e la veduta veneziana del Settecento, Ausstellungskatalog, Palazzo della Ragione, Padua, 25. September-26. Dezember 1994, Mailand 1994. (1421605) (13)



Bernardo Bellotto,
also known as “Canaletto”,
1721 – 1780

THE JETTY WITH THE DOGE’S PALACE AND THE PRISONS TO THE WEST

Oil on canvas. Relined.
62 x 96 cm.

Accompanied by an expert’s report by Dario Succi, Gorizia, 2024, in copy.

Literature:
cf. Dario Succi, Bernardo Bellotto detto il Canaletto, exhibition catalogue, Villa Morosini, Mirano, 23 October - 19 December 1999, Milan 1999.
cf. Dario Succi, Bernardo Bellotto. Il Canaletto delle corti europee, exhibition catalogue, Galleria Comunale d’Arte Moderna, Conegliano, 11 November 2011 - 15 April 2012, Venice 2011.
cf. Dario Succi, Carlevarijs, van Wittel, Venezia (The young Bellotto), in: Luca Carlevarijs e la veduta veneziana del Settecento, exhibition catalogue, Palazzo della Ragione, Padua, 25 September - 26 December 1994, Milan 1994.
Lot Details


Beigegeben eine Expertise von Dario Succi, Gorizia, 2024, in Kopie.

Über den Canal Grande mit zahlreichen Gondeln und Booten mit dahinter liegender Molo, flankiert vom prachtvollen Dogenpalast, den beiden Säulen mit dem Markuslöwen und dem Heiligen Todaro mit Drachen sowie dem Campanile - und alles in der von Bellotto gewohnten feinen vedutenhaften Feinheit nicht ohne die Dynamik des Moments vermissen zu lassen. Der Prototyp für diese Ansicht wurde von Canaletto geschaffen (59 x 93 cm) und ist Teil einer vierteiligen Serie, die in Venedig durch Charles Powlett, Third Duke of Bolton (1658-1754) erworben wurde. Erstmals wurde die Serie von George Knox 1993 in einem Artikel im Apollo publiziert und in die 1730er Jahre datiert, die Zuschreibung wurde dann in J.G. Links, Canaletto Giovanni Antonio Canal (1697-1768), 1998, S. 9-10 bestätigt. Vom Prototyp Canaletto‘s, der Der Pier mit dem Dogenpalast und den Gefängnissen nach Westen darstellt und um 1735 datierbar ist, leitete der sehr junge Bellotto die Zeichnung ab, die Teil der Werkstatt-Sammlung war: Sie wurde von seiner Familie vererbt, als er in Wilno lebte, und gelangte nach einigen Zwischenstationen 1829 in den Besitz des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt. Die Zeichnung wurde erstmals detailliert von H.A. Fritsche im Band „Bernardo Bellotto genannt Canaletto“ (Burg bei Magdeburg, 1936) beschrieben: „Die Uferpromenade vom Münzgebäude bis zu den Gefängnissen, gesehen vom Becken aus: Alle horizontalen Linien sind mit dem Lineal gemacht, sehr unsicher und unbefriedigend. Aus einem fremden Modell.“ Zwischen 1938 und 1941 wurde die Zeichnung zusammen mit anderen Arbeiten von Bellotto aus dem Museum aussortiert und, nach einer Versteigerung mit Zuschreibung an Canaletto, bei Fischer in Luzern (2. Juni 1945, Los Nr. 9) verkauft, wobei die Spuren verloren gingen.
Bis heute waren bereits zwei Gemälde von Bellotto bekannt, die auf der Zeichnung basieren: Das erste, datierbar auf 1736-1737, wurde von Constable, Links mit Zuschreibung an Canaletto (Hg. 1989; I, Tafel 191, Nr. 85; I, S. 226, Nr. 85) katalogisiert und reproduziert. Es stammte aus der Sammlung von J.H.H. V. Lane, Kings‘ Bromley Manor, Lichfield, und wurde 1912 bei Christie‘s (14. Dezember, Los Nr. 122) als J.B. Canaletto an Ascher Wertheimer verkauft, der es an Adolph Hirsch (+1862) weiterverkaufte, von dem es an seinen Neffen George Pinto (1929-2018) vererbt wurde. Ein Jahr nach dessen Tod wurde die Ansicht mit korrekter Zuschreibung an Bellotto bei Christie‘s in London (4. Juli 2019, Los Nr. 40; 60,8 x 97,5 cm) versteigert. Das Gemälde, das 1736-1737 ausgeführt wurde und ohne Abweichung von der Zeichnung stammt, zeigt Bellottos Versuch, Canaletto‘s sonnige Leuchtkraft nachzuahmen, die präzise Beschreibung des architektonischen Gefüges und die Typologie der Staffagefiguren.
Das zweite Gemälde, fast identisch in der Größe, datiert auf 1737-1738, gehörte zum Nachlass des Kunsthändlers Giancarlo Baroni und wurde bei Sotheby‘s in New York (29.-30. Januar 2013, Los Nr. 30; 61,2 x 97,8 cm) als Bellotto versteigert. Die Ansicht zeigt im Vergleich zur ersten eine stilistische und chromatische Variation, die die fortschreitende Entwicklung von Bellottos Kunst dokumentiert, insbesondere in der Betonung der Chiaroscuro-Kontraste auf der Erhebung der Bibliothek, an den Seitenfassaden des Dogenpalastes und der Gefängnisse, sowie in der Hinzufügung von Schattierungen über den Fenstern der Gefängnisse, die einen scharfen Kontrast zum Weiß des istrischen Steinverkleidung bilden. Weitere Änderungen umfassen das Entfernen einiger Boote und zahlreicher Spritzer auf dem Pier, während die Wolken, die zuvor einen horizontalen Verlauf wie in der Zeichnung hatten, nun nach oben in den Himmel expandieren, der mit einem intensiven und fast eisigen Blau getönt ist. Die Staffagefiguren im Vordergrund zeigen eine bemerkenswerte Neigung zum karikaturistischen Realismus, der völlig fremd zur Praxis Canaletto‘s war. Diese erzählerische Tendenz wurde erstmals von Terisio Pignatti (Gli inizi di Bernardo Bellotto, in: Arte Veneta, XX, 1966, S. 226) festgestellt, der dazu anregte, die Unterschiede in den Endergebnissen der beiden Künstler zu betrachten: „Niemand würde den arricciolaten Chinoiserie-Stil von Canaletto‘s Malweise in einem Gemälde der 1760er Jahre, wie etwa in der Darstellung der Procuratie in der National Gallery in London, mit den scharfen Karikaturen Bellottos in der fast gleichzeitigen Ansicht der Kreuzkirche in Dresden verwechseln. Und wir wissen, dass Bellotto gegen Ende seiner Karriere in Warschau sogar große Figuren und lebensechte Porträts in seine Landschafts- oder Architekturansichten einfügte.“ Das hier angebotene außergewöhnliche, bislang unveröffentlichte Gemälde, datierbar auf etwa 1736 folgt der vorbereitenden Zeichnung in architektonischen Details und in der Verteilung der Staffagefiguren, wobei es die Ansicht in das typische sonnige, von Canaletto abgeleitete goldene Licht taucht, das für Bellottos frühe Phase charakteristisch ist. Besonders im rechten Himmel sind die kratzigen diagonalen Streifen in der Grundvorbereitung sichtbar, die die eigenhändigen Arbeiten von Canaletto und seinem Neffen kennzeichnen. Die prächtige Ansicht stellt, auch aus wissenschaftlicher Sicht, ein außergewöhnliches Dokument der Kunst Bellottos dar, dessen Lehre in der Werkstatt seines Onkels 1735 begann, als er dreizehn Jahre alt war: Es war damals weit verbreitet, dass ein angehender Maler früh als Lehrling in die Dienste des Meisters trat, um sich mit der Zubereitung von Pigmenten vertraut zu machen, und dann versuchte, die Rolle des Helfers zu übernehmen. Der künstlerische Werdegang des jungen Bellotto entwickelte sich als kontinuierlicher Balanceakt zwischen den Einflüssen von Canaletto‘s Manier und eigenen, geniale innovativen Ideen: Die ikonografischen Modelle des Meisters waren natürlich seine Favoriten, aber obwohl sie fast wörtlich übernommen wurden, tendierten sie dazu, sich zu immer stärker charakterisierten Ausdrucksformen zu entwickeln. Da Bellotto das Glück hatte, Zugang zu den Geheimnissen der Werkstatt zu erhalten, versuchte er, den strahlenden Ansichten so nahe wie möglich zu kommen, was auch dadurch belegt wird, dass die am meisten replizierten Gemälde zunächst jene waren, die Canaletto für den Patron und Sammler Joseph Smith ausgeführt hatte, und die von Antonio Visentini auf Kupfer übertragen und erstmals in der 1735 erschienenen Sammlung von Kupferstichen Prospectus Magni Canalis Venetiarum veröffentlicht wurden, die 1742 mit einer vollständigen Ausgabe von achtunddreißig Ansichten fortgesetzt wurde.
Das Problem, das mit den Ansichts-Gemälden von Bellotto von seinen Anfängen bis zu seiner endgültigen Trennung von seinem Onkel 1743 zusammenhängt, wurde in den Katalogen der Ausstellungen behandelt: Bernardo Bellotto detto il Canaletto (Mirano, Villa Morosini, 1999) und Bernardo Bellotto, il Canaletto delle Corti Europee (Conegliano, Palazzo Sarcinelli, Marsilio 2011). Die frühesten Ansichten stammen sicherlich aus der Zeit vor 1738, als Bellottos Name im Verzeichnis der Zunft der venezianischen Maler erschien: Ein Faktum, das auf den Erwerb einer gewissen beruflichen Autonomie hinweist. In dieser Phase, die bis etwa 1740 dauerte, unterschied sich die Ausdrucksweise des Schülers von der Canaletto‘s durch ein Licht, das sich allmählich von der warmen Sonneneinstrahlung hin zu einer dünneren, silbrigen Transparenz entwickelte. Ab den 1740er Jahren nahm sein Stil markante Züge an, die sich in der prägnanten Solidität der architektonischen Elemente, die mit dünnen schwarzen Linien profiliert sind, der allgemeinen silbrigen Helligkeit und den starken Schattierungen, die sich entschieden von den schattigen Bereichen abheben, zusammenfassen lassen.
Die erfolgreiche Vertiefung des Wissens verschiedener Gelehrter über Bellottos Tätigkeit als Schöpfer venezianischer Veduten ermöglicht es – wie im Fall des hier angebotenen Gemäldes – diese Werke leicht in den künstlerischen Werdegang des Malers einzuordnen, der als Protagonist einer glänzenden Karriere, die ihn in seinen frühen Zwanzigern in den Dienst der europäischen Größen führte, tätig war: Turin, Dresden, Wien, München, Warschau. Bellotto, der einer der großen Maler der venezianischen Vedutenkunst des 18. Jahrhunderts zusammen mit Luca Carlevarijs, Antonio Canal genannt „Canaletto“, Michele Marieschi und Francesco Guardi war, entstammte einer Familie, aus der bereits zwei weitere Maler bekannt sind. Sein Großvater und dessen Bruder waren Theatermaler und sein Onkel war der schon seinerzeit berühmte venezianische Vedutist Giovanni Antonio Canal (1697-1768), genannt „Canaletto“, in dessen Werkstatt Bernardo 1736 eintrat. Da über die folgenden Jahre bis 1742 nur wenig über Bellotto bekannt ist, außer hunderte erhaltener Zeichnungen und nur wenige ihm zuordenbare Veduten, ist es ein Glücksfall, dass wir das vorliegende Gemälde anbieten können. Durch sein weiteres Werk, das ihn als Schöpfer von Veduten so zahlreicher Städte wie München, Wien, Turin, Pirna, Dresden oder Warschau bekannt gemacht hat, gilt er bis heute als einer der bedeutensten Vedutisten des 18. Jahrhunderts.

Literatur
Vgl. Dario Succi, Bernardo Bellotto detto il Canaletto, Ausstellungskatalog, Villa Morosini, Mirano, 23. Oktober - 19. Dezember 1999, Mailand 1999.
Vgl. Dario Succi, Bernardo Bellotto. Il Canaletto delle corti europee, Ausstellungskatalog, Galleria Comunale d‘Arte Moderna, Conegliano, 11. November 2011-15. April 2012, Venedig 2011.
Vgl. Dario Succi, Carlevarijs, van Wittel, Venezia (The young Bellotto), in: Luca Carlevarijs e la veduta veneziana del Settecento, Ausstellungskatalog, Palazzo della Ragione, Padua, 25. September-26. Dezember 1994, Mailand 1994. (1421605) (13)



Bernardo Bellotto,
also known as “Canaletto”,
1721 – 1780

THE JETTY WITH THE DOGE’S PALACE AND THE PRISONS TO THE WEST

Oil on canvas. Relined.
62 x 96 cm.

Accompanied by an expert’s report by Dario Succi, Gorizia, 2024, in copy.

Literature:
cf. Dario Succi, Bernardo Bellotto detto il Canaletto, exhibition catalogue, Villa Morosini, Mirano, 23 October - 19 December 1999, Milan 1999.
cf. Dario Succi, Bernardo Bellotto. Il Canaletto delle corti europee, exhibition catalogue, Galleria Comunale d’Arte Moderna, Conegliano, 11 November 2011 - 15 April 2012, Venice 2011.
cf. Dario Succi, Carlevarijs, van Wittel, Venezia (The young Bellotto), in: Luca Carlevarijs e la veduta veneziana del Settecento, exhibition catalogue, Palazzo della Ragione, Padua, 25 September - 26 December 1994, Milan 1994.

3 weitere Werke von Bernardo Bellotto

Bernardo Bellotto ist in folgenden kuratierten Suchen enthalten
Kunstauktionen - aus der ganzen Welt
- auf einen Blick !
Kunstauktionen - aus der ganzen Welt
auf einen Blick !
ios_instruction